von Greta Hubert (Q2)
Eine Filmbesprechung
Der im Jahr 2018 erschienene und in Australien und den USA produzierte Film “Der verlorene Sohn” (original: “Boy Erased”) gewann zahlreiche Preise für sein Drehbuch und die Darstelller:innen.
Das Drehbuch wurde von dem Regisseur des Films, Joel Edgerton, verfasst, welcher auch eine Rolle in dem Drama einnimmt.
Das Drama und die gleichzeitige Biografie, handelt von der freien Entfaltung von Homosexualität in religiösem Kontext und mit den Problemen, die damit einhergehen können.
Love in Action - Kann man Homosexualität "wegtherapieren"?
Der Protagonist des Filmdramas, Jared, findet heraus, dass er homosexuell ist, woraufhin seine streng religiösen Eltern ihn in einer Konversionstherapie* namens Love in Action* schicken. Mittels einzelner Rückblenden im Verlauf des Films wird die eigentlich liebende Beziehung zwischen Eltern und Sohn genauer dargestellt und seine innere Entwicklung - d.h., die Erkenntnis, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt - wird verdeutlicht. Einzelne “Cuts” in der Erzählung zeigen dann wieder die Gegenwart, in der Jared zweifelhafte und manipulative Therapiemethoden erlebt, wie zum Beispiel eine gewalttätige Dämonenaustreibung und der Versuch, Jared glauben zu lassen, dass er lügt. All dies führt letztendlich dazu, dass es Jared mithilfe seiner Mutter gelingt, die Therapie zu verlassen. Ein Ausblick zeigt, wie Jared vier Jahre später - offen homosexuell - auf dem College ist und seine Erfahrungen über Love in Action offen teilt.
Welche Rolle spielen die Eltern?
Vor allem auf die Beziehung zwischen Jared und seinen Eltern wird ein enormer Fokus gelegt, was zum Thema des Films passt: Hier vertreten Jared’s Eltern, vor allem sein Vater, die Position der Religion und des konservativen Lebens. Zu Beginn tut auch seine Mutter dies, jedoch ist ihr am Ende das Glück ihres eigenen Sohnes wichtiger und die eigentlich harmoniebedürftige und naiv-wirkende Frau setzt sich gegen die Konversationstherapie und den Vater durch und hält zu ihrem Sohn.
Anders ist dies bei Jared’s Vater. Er zeigt ihm wenig Liebe, sobald er von Jared’s Gefühlen erfährt und kann und will die Homosexualität seines Sohnes nicht akzeptieren. Während des gesamten Films erscheint der Vater gegenüber seinem Sohn nur selten mitfühlend und offen und versucht “das Problem” weitestgehend zu umgehen, während seine Mutter ihm immer wieder Liebe zeigt.
Doch auch zwischen Vater und Sohn lässt sich eine Entwicklung feststellen, denn auch wenn es Jared’s Vater schwer fällt seine Identität zu akzeptieren, so will er ihn doch nicht verlieren. Dies wird am Ende des Films deutlich, denn hier wird eines der ersten offenen Gespräche zwischen Vater und Sohn gezeigt.
Starke Botschaft
Ich denke, dass der Film besonders inhaltlich eine sehr starke Botschaft hervorbringt. Das Thema LGBTQ+ ist auch heute noch von großer Bedeutung und in vielen Ländern werden homosexuelle Menschen noch immer wie "Illegale" behandelt; doch auch, wenn sie nicht illegal sind stoßen queere Menschen auf Probleme und Kritik, weswegen es umso wichtiger ist, zu zeigen, dass auch in Ländern wie den USA o.Ä. noch grausame Methoden “zur Austreibung” von Homosexualität ausgeübt werden, welche dazu von der Kirche kommen, die also gar nicht so heilig - im wahrsten Sinne des Wortes - sein kann, wie sie sich selbst darzustellen vermag. Natürlich völlig sinnlos, da Homosexualität nicht “ausgetrieben” werden kann und auch nicht sollte.
...mit großartigen Darstellern
Auch die schauspielerische Leistung der Darsteller:innen ist großartig und äußerst mitreißend. Es fällt leicht, mit den Personen mitzufühlen und die Gedankengänge dieser nachvollziehen zu können.
Ein Kritikpunkt entsteht bei mir allerdings im Schnitt des Films. Die häufig vorkommenden Wechsel zwischen früher Vergangenheit, später Vergangenheit und Gegenwart führt leicht zu Verwirrung, vor allem da drei Handlungsstränge abwechselnd erzählt werden. Die Idee von chronologischen Wechsel ist natürlich interessant, allerdings hätte diese weniger komplex und bisweilen irritierend umgesetzt werden müssen.
Insgesamt hat mich “der verlorene Sohn” sehr überzeugt, da vor allem die Emotionen überzeugend übermittelt wurden und man als Zuschauer mit einem mulmigen Gefühl den Film beendet hat und da das Thema von hoher Aktualität ist. Trotz kleiner Verwirrung zwischen den Handlungssträngen würde ich diesen Film also weiterempfehlen.
* Seit dem 12. Juni 2020 gibt es ein Gesetz zum Schutz vor Konversionstherapien.