Unser Interview mit Herrn Hebbecker vom Kölner Sonderdezernat für "Hate Speech"
von Anton Brüggemann und Hendrik Schmidt-Pfitzner
Welche Konsequenzen hat Hate Speech in Deutschland auf Täter und Opfer?
Digitale Hasskriminalität kann ganz erhebliche Auswirkungen auf die Geschädigten haben. Oftmals ziehen sich Personen dann aus dem digitalen Diskurs zurück und werden in der Konsequenz somit durch Straftäter in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt. Das ist nicht hinzunehmen. Gleichzeitig können auch die Sanktionen für Täter sehr deutlich sein. Hier sieht das Gesetz Geldstrafen oder – in letzter Konsequenz – auch Freiheitsstrafen vor.
Wo liegt der Unterschied zwischen Hate Speech und legitimer Kritik an der Politik o.ä.?
Selbstverständlich ist nicht jede emotionale oder drastische Kritik strafbar. Insbesondere im politischen Meinungskampf darf hart diskutiert werden. Bei der Prüfung der Strafbarkeit sind jeweils die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Wie geht die Staatsanwaltschaft klassischerweise bei einem Fall vor?
Zunächst ist zu prüfen, ob tatsächlich ein Anfangsverdacht für die Begehung einer Straftat festgestellt werden kann. Ist dies der Fall, muss im nächsten Schritt die Person hinter dem Posting – als der Verfasser – festgestellt werden. Dieses zweistufige Vorgehen ist in jedem Fall einzuhalten. Nur wenn auch eine Straftat begangen worden ist, dürfen Strafverfolger ermitteln.
Wie unterstützt die Staatsanwaltschaft Opfer von Hate Speech?
Polizei und Justiz nehmen das Thema „Digitale Hasskriminalität“ sehr erst. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl vermitteln, dass auch in der digitalen Welt keine rechtsfreien Räume geduldet werden und Strafverfolgung online wie offline erfolgt.
Wo liegt die Grauzone?
Hier ist jeder Einzelfall gesondert zu prüfen. Grundsätzlich aber gilt: Wenn Kritik keinerlei Sachbezug mehr aufweist und nur auf Diffamierung und Herabwürdigung einer anderen Person abzielt, dann liegt der Anfangsverdacht für die Begehung einer Straftat nahe.
Wie fallen Strafen in der Regel aus?
In der Regel werden Geldstrafen verhängt. Denkbar ist aber auch eine Freiheitsstrafe, bei der dann jeweils geprüft werden muss, ob diese noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Bereits mehrfach wurden Täter und Täterinnen zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt.
Welche Fälle haben Priorität bei der Bearbeitung, welche werden langsamer bearbeitet?
Wenn etwa eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben einer Person besteht, muss besonders schnell gehandelt werden. Grundsätzlich haben wir den Anspruch alle Fälle schnell, aber mit der gebotenen Sorgfalt zu bearbeiten.
Sind Sie der Meinung, dass sich politisch etwas ändern muss, damit Hate Speech besser verhindert/bestraft werden kann, wenn ja, was?
Der Gesetzgeber war in diesem Bereich gerade in den letzten Jahren sehr aktiv. Es wurden Straftatbestände verschärft und neue geschaffen. Ebenso wurde eine Novelle des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes beschlossen. Es handelt sich um ein sehr dynamisches Themenfeld auf dem in den letzten Jahren viel passiert ist und künftig sicherlich auch noch passieren wird.
Was ist Ihre persönliche Motivation um weiterzumachen? Fühlt es sich nicht so an als würde man vergeblich versuchen etwas zu ändern?
Aufgeben ist gerade in diesem Themenfeld keine Option. Sicherlich sind wir noch weit davon entfernt, jedes strafbare Posting auch tatsächlich zu verfolgen. Insgesamt zeigt die Entwicklung aber in die richtige Richtung und die Relevanz der Thematik wird zunehmend erkannt.
Was, denken Sie, müsste man machen, damit sich mehr Opfer von Hate Speech dazu entschließen den Täter anzuzeigen?
Die Anzeigewege können und müssen optimiert werden. Für eine effiziente Strafverfolgung im digitalen Raum müssen auch praktikable Wege der digitalen Anzeigemöglichkeit geschaffen werden. Hier ist sicherlich noch Luft nach oben.
Sind Sie der Ansicht, dass ein Chatblocker sinnvoll ist, der bestimmte Wörter in Konversationen blockiert und evtl. sogar meldet?
Wenn ja, dann finden Sie, man sollte das gleiche bei einem Sprachchat umsetzen? Denken Sie das so eine Maßnahme ethisch korrekt ist? Wenn man eine KI hat die jedes Gespräch mithört und einen evtl. anzeigt?
Die staatliche Anordnung für die verpflichtende Implementierung einer solchen Technik müsste sich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Ich gehe davon aus, dass es mildere Mittel gibt, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Bevor also zu solch drastischen Maßnahmen gegriffen werden sollte, wären noch viele andere Möglichkeiten auszuschöpfen. Ganz grundsätzlich bietet KI aber natürlich auch für die Strafverfolgung Möglichkeiten. Eine pauschale Überwachung der Kommunikation ist aber entschieden abzulehnen.
Wir danken Herrn Hebbecker für dieses Interview!
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