Frühjahr 2022, Bonn - Innenstadt, Fridays for Future Demo: Die Demo ist gerade zu Ende, wir gehen nach Hause. Dann steht da dieser Mann... Mitte fünfzig, normale Kleidung und ein Pappschild um den Hals gehängt. Darauf steht: "Lieber braun statt grün!"
Fridays for Future lehnt er offensichtlich ab, den Klimawandel leugnet er. Als Achtklässlerin denke ich mir: Dem zeig ich's, dem schlage ich die Argumente um die Ohren. Es beginnt eine hitzige Diskussion und keiner lässt den anderen ausreden, keiner hört mehr zu.
Am Ende fehlen dem Mann die Worte und ich gehe als zufriedengestellte "Gewinnerin" nach Hause. Bis heute sehe ich ihn dort manchmal noch stehen, mit ähnlichen Schildern um den Hals gehängt.
Hätte ich mit dem Mann anders sprechen müssen?
Wie also noch richtig miteinander reden?
Ein paar Jahre später scheint es immer schwieriger zu werden, dass sich Menschen mit unterschiedlichen Meinungen konstruktiv auf Augenhöhe unterhalten. Im Gegenteil: Der blaue Balken der AfD wächst von Wahl zu Wahl, Falschnachrichten verunsichern uns und Diskussionen werden selbst im Familien- und Freundeskreis schärfer oder spalten uns sogar.
Wie also noch richtig miteinander reden?
Ich habe mir ein paar Steps herausgesucht, die ihr bei einer aufkommenden Diskussion z.B im Familien-/ Freundeskreis anwenden könnt.
Gegenüber erkennen und differenzieren
Äußert sich das Gegenüber gar faschistisch? Leugnet es zum Beispiel den Holocaust? Dann muss klar sein: Dieser Person darf nicht die Bühne gegeben werden über dies zu diskutieren. Da reicht ein klares NEIN. Wenn man ihnen den Raum für Diskussion gibt, signalisiert man Toleranz gegenüber den angesprochenen Themen. Es lässt sich nicht diskutieren, ob es den Holocaust gab oder nicht.
Den gab es.
Wenn du aber merkst, dass das Gegenüber teils noch zweifelt und fragwürdige Informationsquellen nutzt: BAM! Du hast deinen
Adressaten gefunden! Diese Menschen lassen sich häufig noch überzeugen.
Kenne dein Ziel in diesem Gespräch
Ist dein Ziel, mit mehr Argumenten zu „gewinnen" und dein Gegenüber sprachlos stehen zu lassen, oder möchtest du tatsächlich von deiner Meinung überzeugen oder anregen, offener gegenüber anderer Meinungen zu sein?
In unserem Fall sind die letzen zwei Aspekte wichtig, wenn wir friedlicher miteinander umgehen wollen.
3. Zuhören und nachfragen
Lass dein Gegenüber erst einmal ausreden. Das zeigt Respekt und du wirkst sachlich, wodurch du beim späteren Argumentieren ernster genommen wirst. Wenn du ab und zu Fragen stellst, signalisiert das ehrliches Interesse. Gleichzeitig wird dein/e Gesprächspartner in herausgefordert, seine/ ihre Aussagen zu begründen. Beispiel: „Wie kommst du darauf, dass...", „Wieso siehst du das so?" Achte auch darauf, das dein nonverbales Verhalten respektvoll bleibt und dein Ton nicht provozierend ist.
4. Themen „hopping"
Häufig kommt es vor, dass der/ die Gesprächspartner:in von einem anderen Thema springt. Dadurch geht die Chance verloren, Falschaussagen zu klären.
So könntest du reagieren: „Ich merke gerade, wie du von einem Thema zum anderen springst. Lass uns doch erstmal auf eins festlegen und darüber sprechen."
Oft übertragen sie ihre Unzufriedenheit im Privatleben auf die Weltlage.
5. Informiert sein
Keine Sorge, du musst nicht das ganze AfD - Wahlprogramm auswendig kennen, um das Gegenüber zu überzeugen, wieso es diese Partei nicht wählen sollte. Trotzdem gilt: Je umfangreicher informiert, desto besser. So kann man belegen, dass die von der AfD vorgeschlagenen, einfachen Lösungen nicht die besten sind. Zum Beispiel hilft das Wirtschaftsprogramm der AfD nicht unbedingt Menschen mit kleinem Einkommen, die häufig diese Partei wählen.
6. Auf emotionaler Ebene diskutieren
Ja, sachlich zu bleiben ist wichtig, wenn du aber mit näher stehenden Personen sprichst ist es völlig ok die eigenen Gefühle zu offenbaren.
Du kannst deinem Gegenüber zum Beispiel mitteilen, wie unwohl du dich wegen mancher seiner/ihrer Aussagen fühlst. Außerdem kannst du so deine persönlichen Werte oder Wünsche für die Zukunft mitteilen.
Beispiel: „Ich würde gerne in einer Welt leben, in der Gleichberechtigung wichtig ist, Armut bekämpft wird und es keinen Rassismus gibt.
Siehst du das nicht auch so?"
Vielleicht ergeben sich aus dieser Frage mögliche Gemeinsamkeiten.
Kann doch sein dass man dadurch auf einen kleinen, aber gemeinsamen Nenner kommt.
7. Eigene Grenzen erkennen
Wenn die Diskussion beginnt, dich zu verletzen, ist es ok aufzuhören. Stattdessen könntest du sie auf einen anderen Zeitpunkt verschieben.
Beispiel: „Mir wird das gerade zu viel. Können wir das Gespräch vertagen? Dieser Gedankenaustausch ist echt interessant."
So verhinderst du, dass die Diskussion ausartet.
8. Rollenspiel spielen
Schnapp dir ein/e Freund:in. Eine/r spielt z.B. den/die AfDler:in und der andere versucht diese/n mithilfe der genannten Schritte zu überzeugen. So lässt sich testen, ob man bereit ist für eine richtige Diskussion.
Jede Stimme zählt
Wenn wir nicht wollen, dass die AfD eine noch stärkere Partei wird, sollten wir mutig genug sein, auf Wähler:innen zuzugehen und mit ihnen zu sprechen. Schließlich leben wir (noch) in einer Demokratie, in der jede Stimme zählt.
Deshalb: Je offener wir miteinander sprechen, desto besser.